Marc Löb und Nora Cummins: So schreibt man einen Impro-Podcast
Interview mit Einblicken und Nachwuchs-Tipps: Für die Podcast-App FYEO haben Marc Löb, Creative Producer bei RedSeven, und Comedy-Autorin Nora Cummins an einem Experiment teilgenommen: Im Piloten der Impro-Comedy-Hörspiel-Show „Never Heard Before“ wird eine fiktive Geschichte erzählt. Das Skript haben sie abwechselnd geschrieben, ohne zu wissen, was die andere Person vorher geschrieben hat. Nur die letzte Seite der anderen Person durften sie lesen. So ist eine lustige Superhelden-Geschichte entstanden. Vertont wurde das Hörspiel von ihnen sowie von Jeannine Michaelsen, Jan van Weyde und Simon Pearce. Bei der Aufnahme haben alle den Text zum ersten mal gelesen.
Ihr schreibt schon seit mehreren Jahren Comedy. War „Never Heard Before“ euer erstes Audio-Projekt?
Nora: Ja, für mich auf jeden Fall.
Marc: Wir haben beide schon mal Sachen gesprochen, aber es war auch für mich das erste reine Audio-Projekt.
Wie ist es zu dem Projekt gekommen?
Marc: Ich bin jetzt bei RedSeven Entertainment. Die haben das Format entwickelt und mich gefragt, ob ich da Autor und Sprecher sein möchte. Dann habe ich mich gefragt: Wen könntest du dir noch als Autorin an deiner Seite vorstellen? Da musste ich ganz lange überlegen (lacht) und irgendwann habe ich gedacht: Die Nora natürlich.
Nora: (lacht) Ja, das Telefonbuch war so leer, da war nur eine Autorin drin und du dachtest: Na dann, nehmen wir die.
Marc: (lacht) Ich habe alle Autorinnen angerufen und dann die Nora und die hatte Zeit. Nein, Nora und ich kennen uns ja von der „heute show“ und hatten da auch schon viel Spaß. Ich wusste, dass Nora auch gut sprechen kann. Es ging ja nicht nur darum, dass jemand gut schreiben, sondern auch noch gut sprechen kann. Das war dann ganz klar Nora. Und dann wurde Nora gefragt.
Nora: Und dann hat die Nora sich so gefreut, auch endlich noch mal mit dem Marc zusammen zu arbeiten. Ich dachte mir: Super, ein schönes Projekt und auch was Neues. Dann stellte sich heraus, dass wir ja gar nicht zusammen schreiben.
Stimmt, ihr habt eure Parts ja jeweils alleine geschrieben.
Nora: Wir haben uns sehr gefreut, aber wir durften ja gar keinen Kontakt haben. Hat natürlich trotzdem sehr viel Spaß gemacht.
Marc: Das stimmt natürlich. Auf der einen Seite haben wir endlich mal zusammen ein Projekt, andererseits sehen wir uns nie. Das ist natürlich schon schräg.
Nora: Pandemie-bedingt war das aber natürlich ein Top-Projekt, weil man ja sowieso nichts zusammen im Writers Room machen konnte. Von daher saß eh jeder in seinem stillen Kämmerlein. Man hat sich beim Schreiben aber auch schön vorgestellt, wie das dann für den anderen ist und was man dann noch anders machen kann, als der andere das vielleicht vorgesehen hat. Von daher war es schon eine Art Zusammenarbeit.
Was ist anders bei einem Audioprojekt, verglichen mit Fernseh- oder Streamingprojekten? Worauf achtet man da verstärkt?
Marc: Man muss sich schon mal nicht kämmen. (lacht)
Nora: Ja, Hose bleibt im Schrank. Ansonsten: Man achtet natürlich verstärkt darauf, dass man die Bilder so beschreibt, dass sie bei den Hörer*innen direkt entstehen können. Geräusche werden auf einmal viel wichtiger. Da sind schon Sachen, die man einfach sonst nicht so auf dem Schirm hat. Aber es macht auch tierisch Spaß, sich das vorzustellen. Ich habe ja angefangen mit dem Skript. Gerade diese Einführung in die Welt, dass die Hörer*innen eine Vorstellung davon bekommen, wo sie sich überhaupt befinden, hat mir total viel Spaß gemacht.
Marc: Ich fand Hörspielsachen eigentlich auch schon immer ganz schön. Kostentechnisch wäre natürlich vieles filmisch gar nicht möglich. Wir haben uns ja noch zurückgehalten. Aber selbst so Kleinigkeiten, wie z.B., dass Superhelden durch Decken durchfallen, sind im Film immer ein Riesenproblem. Wie stelle ich das dar? Klar, Marvel kann das alles machen. Aber bei einer kleineren Produktion ist sowas immer unmöglich. Das ist das schöne an so einem Superhelden-Podcast-Ding. Wir hätten ja auch überall sein können: In einem Vulkan oder in jeder Location. Das ist wirklich schön bei so einem Podcast oder Hörspiel, dass du alles machen kannst, weil mit Tönen wirklich viel möglich ist. Das haben wir noch gar nicht alles ausgereizt.
Die Form des Schreibens ist ziemlich experimentell. Ihr schreibt eine Geschichte abwechselnd weiter, ohne dass die andere Person weiß, was vorher geschrieben wurde. Ihr seht nur die letzte Seite, um dann daran anzuschließen. Wie hat sich das auf euer Schreiben ausgewirkt? Was ging euch durch den Kopf, als ihr die Seite des jeweils anderen gelesen habt?
Marc: Ich habe ja die erste Seite bekommen von Nora. Als erstes habe ich gedacht: Wie kann ich alles kaputt machen, was sie da jetzt angefangen hat? Wie kann ich ihr jetzt einen Stock in die Speiche halten? (lacht) So dass sie das nachher sieht und denkt: Musste das jetzt sein? Das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf ging.
Nora: Ja, das ging mir natürlich auch so. Obwohl ich, da ich angefangen habe, die Geschichte erst mal ein bisschen seriöser einleiten musste. Mit dem Bewusstsein, dass der Marc da total abgeht und wahrscheinlich alles wieder kaputt macht, was ja auch der Reiz ist. Mir ging es dann genauso. Es war für mich dann ganz spannend zu sehen, welche Charaktere Marc weitergeführt hat. Ich kannte ja nur die letzte Seite. Wenn man anfängt, hat man natürlich auch ein Grundgerüst von der Geschichte im Hinterkopf. Also: Es könnte so weitergehen und dann so und dann könnte es so enden. Und dann wird natürlich alles über den Haufen geworfen. Das war mir bewusst. Ich habe aber doch versucht, die Geschichte bei meinem zweiten Part wieder so weiterzuführen, dass sie wieder in die Richtung der Grundstory geht. Damit man die Hörer*innen nicht komplett verliert. Ich fand es schon wichtig, einen kleinen roten Faden zu haben, damit man diese verrückten Ausbrüche haben kann.
Du hast gerade schon die Charaktere erwähnt. Das ist im Piloten eine Superheldengeschichte. Habt ihr Tipps, wie man lustige, fiktive Charaktere schreibt?
Nora: Ich setze da an, was ich selber lustig finde. Was mag ich an Charakteren und was finde ich lustig, wenn denen das passiert? Das kommt eigentlich alles von innen heraus. Ich weiß nicht, ob man sich da an irgendeinem Schema abarbeiten kann. Ich glaube, man sollte ganz stark auf sein Bauchgefühl hören. Sonst wäre ja am Ende alles gleich. Da wir alle unterschiedliche Humorfarben haben, bringt das am Ende eine schönere Mischung.
Marc: In diesem Fall sollte es irgendwie extrem werden. Wir wussten nicht direkt genau, was für ein Genre es wird. Aber relativ klar war in dem Projekt schon, dass es irgendwas verrückteres wird. Einfach aufgrund der Tatsache auch, dass man bei so einer Hörspielgeschichte alles machen kann. Du hast natürlich sonst bei Alltagsgeschichten die Möglichkeit, aus deinem Alltag Sachen aufzugreifen. Das ist ja auch beim Stand-up so. Du gehst einkaufen, machst Beobachtungen in der Familie oder auf der Arbeit. So kannst du Charaktere bauen, indem du Charaktere überzeichnest, die du kennst, die du magst, die du nicht magst. In unserem Fall ist es bei Superhelden gelandet, vielleicht wäre es auch eine Abenteuergeschichte geworden. Dann kann man ja auch mit Figuren arbeiten, die man ungefähr kennt. Hier waren es die Superkräfte, die völlig nutzlos oder blöd waren oder die ins Falsche laufen.
Nora, du hast gerade schon erwähnt, dass jeder seine eigene Humorfarbe einbringt. Wie habt ihr euch schreibmäßig ergänzt?
Nora: Ich hatte meine Rolle so gesehen, den Marc zwischendurch wieder einzufangen. Er hat diese schnellen Slapstick-artigen Momente und sowas eingebracht, auch mal eine ganze Seite ein Fragendialog. Aber das war im Hinterkopf für mich der Gedanke, dass ich versuche, die Story ein bisschen zu pushen. Ich habe mich da aber vielleicht auch deshalb verantwortlich gefühlt, weil ich angefangen habe. Wenn es weitergeht, wird das ja vielleicht mal umgedreht. Dann wird es vielleicht ganz anders. Aber dass der Marc ein bisschen spinnen kann in der Welt, weil ich weiß, dass das sehr lustig ist, wenn er das macht.
Marc: Mein größter Moment war eigentlich, als ich einen Helium-Luftballon als Requisite dabei hatte. Da ist Nora ausgetickt.
Nora: Was für ein Moment! Das lustige war, dass ich das auch selber überlegt hatte.
Marc: Ja, na klar!
Nora: (lacht) Aber ich dachte: Das kannst du ja nicht machen. Dann sitzt da in dem Fall der arme Jan und hat fünf Minuten eine Ameisenstimme, das geht ja nicht. Aber der Marc, der macht das dann einfach.
Marc: Das ist auch gerade interessant, wo wir über Leute reden, die neu in die Comedy-Branche kommen. Genau diesen Moment werden sie oft erleben, wenn sie in Brainstorming-Runden sitzen und dann jemand zum Beispiel sagt „Lass uns einen Heliumballon nehmen, dann bekommt der eine hohe Stimme“. Dann sagen alle „Ja, genau“. Und dann kommt irgendwer, ich sag mal Nora, und sagt „Die Idee hatte ich auch gerade!“.
Nora: Ja, wenn man schlau ist, sagt man „Ja, das habe ich eben auch gesagt, das habt ihr nicht gehört“.
Was habt ihr als AutorInnen aus dem Projekt für zukünftige Projekte mitgenommen?
Marc: Erst mal, dass es immer viel Spaß macht, mit Nora was zu machen. Vor allem im Studio haben wir uns beömmelt. Ich kannte auch gar nicht die Geschichten-Weitererzähl-Nummer aus der Kindheit. Bei mir gab es nur das Spiel, dass man ein DIN A4 Blatt mehrmals faltet und jeder malt ein anderes Teil von einem Tier und keiner weiß, was es für ein Tier ist. Und generell fand ich es echt mal interessant, Geschichten so zu schreiben. Vielleicht wäre das auch mal ohne den Ansatz, dass man den anderen reinreißen will, interessant. Dann kriegen Geschichten ganz andere Wendungen. Wie Nora sagte, sie hat sich gedacht: „Ich fang mal an, wahrscheinlich passiert dann dies und das“. Und die Geschichten nehmen eine ganz andere Wendung, wenn man es nicht zusammen erarbeitet, sondern quasi gegeneinander oder alleine weiterdenkt.
Nora: Andererseits braucht man dann ein paar Regeln, damit man die Leute nicht verliert, gerade wenn es nur ein Hörspiel ist. Am Anfang hatten Marc und ich auch direkt die Idee, einen Zeitsprung um 100 Jahre zu machen, so dass alle tot sind und wir neue Charaktere einführen würden. Da sagten wir „Moment mal“. Weil man einfach die Hörer*innen nicht verlieren darf. Da mussten wir schon drauf achten. Deswegen habe ich diese Geschichte schon ein bisschen im Voraus gesponnen, damit man noch alle mitnimmt. Auch wenn ich wusste, dass es nicht komplett so weitergeht. Ich glaube aber auch, da ist noch ganz viel Potential für verrücktes. Vielleicht, dass man auch mal kürzere Wechsel macht. Das ganze war jetzt auch ein Experiment. Wir haben an dem Tag im Studio auch gemerkt, wie viel Potential da eigentlich noch ist und wieviele Sachen man da noch besser und noch kreativer machen könnte.
Was wäre sonst potentiell in der Staffel noch drin?
Marc: Wenn es weitergeht, würde es natürlich immer ein anderes Genre sein. Was wir tatsächlich auch dachten, waren Sachen wie: Hat man noch Requisiten, die Geräusche machen? Oder ändern sich die Stimmen? Oder macht man wirklich sowas wie: 100 Jahre später, alle sind auf einmal alt geworden, dann müssen die DarstellerInnen umswitchen. Das ist ja noch mal der zweite Fall, dass die DarstellerInnen ja gar nicht wussten, was überhaupt kommt. Das war natürlich auch sehr interessant an dem Projekt.
Nora: Genau. Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, dass die DarstellerInnen Spaß an der Sache haben, damit sich das auch überträgt auf die Hörer*innen. Man könnte ihnen noch mehr zu spielen geben, mehr Requisiten oder andere lustige Ideen.
Von eurem Podcast gibt es bisher nur einen Piloten. Ich habe den Eindruck, das Konzept, erst einen Piloten zu testen, ist im Podcast-Markt noch relativ neu. Glaubt ihr, das wird in Zukunft da genauso üblich wie im Fernsehen, erst Piloten zu testen?
Nora: Wäre auf jeden Fall wünschenswert. Dann wird es einfach abwechslungsreicher und man merkt ein bisschen, was ankommt und was nicht ankommt. Ich glaube einfach, man kann den Zuschauer*innen und Zuhörer*innen in dem Fall ruhig mehr zutrauen.
Marc: Im Podcast-Bereich ist das ja auch noch viel eher möglich. Das war ja schon eher eine große Produktion mit drei DarstellerInnen und zwei AutorInnen, die dann auch noch mitsprechen. Das kann man ja sogar in einem kleineren Kreis halten. Und dann kannst du solche Geschichten viel einfacher produzieren. Wenn man eine audiovisuelle Superhelden-Comedy-Serie mal zum testen machen wollte, wäre das ein Riesenaufwand an Kosten, Postproduktion u.s.w. Das ist ja beim Podcast viel einfacher. Deswegen denke ich, das wird da mit Sicherheit viel öfter passieren, dass man sagt: Wir nehmen das mal auf, wir versuchen das und gucken, wie das ankommt.
Habt ihr Tipps für Nachwuchsautor*innen?
Marc: Ich bin ja auch schon etwas älter. Ich glaube, die Zeit ist ja jetzt eine andere. Man hat viel mehr Möglichkeiten, mit YouTube hat es angefangen und jetzt gibt es die Podcasts. Man kann selber was schreiben, selber Sketche mit Freunden aufnehmen und dadurch zeigen, dass man’s kann. Oder bei Podcasts: Man nimmt die Sachen auf. Ich finde, heutzutage hat man eigentlich viele Möglichkeiten, sich zu präsentieren, die muss man dann einfach nutzen. Man kann Sachen aufnehmen und dann irgendwo hinschicken, zu Produktionsfirmen, wenn man was im Fernsehen machen will. Viele machen ja schon ihr eigenes Ding auf Insta oder sonstwo. Ich glaube, das ist heutzutage eine komfortable Situation. Deswegen heißt es da einfach nur machen.
Nora: Dann müssen es halt nur noch die richtigen Leute sehen. Ich bin sehr schlechte Networkerin, das ist ja auch nicht jedermanns Sache. Gerade Autor*innen, die nicht so nach vorne gehen und sich gerne präsentieren. Da muss man ein bisschen über seinen eigenen Schatten springen, glaube ich. Weil da gibt es viele, die dadurch die Chance nicht bekommen, die sie eigentlich bekommen sollten. Das habe ich schon oft mitgekriegt, dass die, die sich einfach besser präsentieren, obwohl sie vielleicht nicht die besseren Gags haben, mehr Jobs bekommen. So ist es dann einfach am Ende. Deshalb möchte ich alle Jungautor*innen ermutigen, selbstbewusst ein bisschen nach vorne zu springen und das zu versuchen. Man hat ja auch nichts zu verlieren.
Marc: Auch nicht jeder ist Kamera-affin oder möchte selbst sprechen. Es kann natürlich sein, dass jemand, der gute Gags schreibt, das nicht selber präsentieren kann. Aber das Problem gab es natürlich schon immer. Früher gab es ja im Fernsehbereich immer große Shows wie die „Harald Schmidt Show“, dann lange „TV Total“. Das waren immer so Sachen, da konnte man Gags schreiben und die mal da hin faxen (lacht) oder rüberschicken. Das waren die großen Anlaufstellen, über die viele in das Business reingekommen sind. So ist es heute halt auch. Entweder man macht selber was oder man muss Proben an Produktionsfirmen schicken, wo man weiß, die machen Comedy. Heute gibt es nicht ganz so viele große Sendungen wie früher, aber zum Beispiel „Late Night Berlin“. Zur Not muss man da mal was hinschicken. Das ist wieder One-Liner-mäßig, man kann auch mal eine Sketch-Idee schicken. So kann man auch reinstolpern ins Business. Wenn das gute Gags sind und die liest auch einer, dann kann man da schon einen Schritt weiterkommen.
Nora: Oder sich auch stumpf einfach mal auf ein Redaktionspraktikum irgendwo bewerben. Das kann auch immer ein guter Einstieg sein.
Vielen Dank für das Interview.
Die Pilotfolge “Never Heard Before” ist in der FYEO-App zu finden oder hier auf Instagram.
Interview: Eike Lennart Sell
25.06.2021
Fotos: RedSeven Entertainment (oben links), Daniel Grünfeld (oben rechts)