"Wohn' in Köln und halt deine Fresse überall hin" – Comedian und Autorin Shari Litt im Interview
Shari Litt ist Stand-Up Comedienne und Autorin. Im Sommer 2022 war sie Support-Act für Carolin Kebekus und sie ist regelmäßig in diversen Mixed Shows, wie “Olafs Klub” (MDR) zu sehen. Als Autorin hat sie bereits für die “Die Carolin Kebekus Show” und “RTL Topnews” geschrieben und produziert außerdem Trailer für den WDR. Im Interview erzählt sie von den unterschiedlichen Formen des Autorinnen-Daseins und welchen Unterschied es macht, für die Bühne im Vergleich zum Fernsehen zu schreiben.
Shari, du stehst seit Mitte 2018 auf der Bühne und machst Stand-Up. Kannst du dich erinnern, weshalb du angefangen hast?
Viele Comedians werden es sicher ganz furchtbar finden, wie ich angefangen habe, weil das nicht aus einem inneren Drang herauskam. Keiner hat mir je gesagt: “Du gehörst auf die Bühne” Alle eher so: “Warum bist du auf der Bühne? Was hast du denn da jetzt verloren?” Aber mich hat das Handwerk dahinter interessiert. Und wie das so ist: Ich bin in irgendein Rabbit-Hole gefallen und habe mir einYouTube-Video angeschaut, das erklärt, wie Humor funktioniert und wie Witze aufgebaut sind. Und da dachte ich mir: “Oh mein Gott, man kann das lernen? Es gibt ein System dahinter?”
Deine Persona auf der Bühne ist ziemlich beeindruckend, weil sie sich nicht in eine Schublade stecken lässt. Kannst du etwas über ihre Entwicklung erzählen?
Wenn man für mich eine Schublade findet, nehme ich sie gerne an. Hilft mir ja auch auf meinem Weg. Das auf der Bühne ist eine extrovertierte Version von mir. Ich bin damals auf die Bühne gegangen, weil ich so Leute wie mich noch nicht so oft auf der Bühne gesehen habe. Und ich glaube, ich hätte es gut gefunden, mich da oben zu sehen. Allein für meine Entwicklung, für mein Selbstwertgefühl, für das Gefühl, dass es okay ist, so wie du bist. Und dass du dich nicht in irgendeine Form von Weiblichkeit oder einem Modell, wie man als Mensch sein muss, reinzwängen musst.
Hat die extrovertierte Version von dir schon mal Gags gemacht, für die du dich heute schämst?
In der Anfangszeit natürlich ja! Am Anfang habe ich viel Quatsch gemacht, aber mittlerweile versuche ich, das auszumerzen. Ich gehe nicht mehr auf die Bühne mit Sachen, die ich eigentlich nicht witzig finde. Ich glaube, das ist tatsächlich die große Gefahr, wenn man mit Stand-Up beginnt. Keiner möchte sterben auf der Bühne. Deswegen merkst du dir, was funktioniert. Was zum Beispiel immer funktioniert, ist das Wort “Hurensohn” als Punchline. Da lacht das Publikum reflexartig. Wenn du dann auf der Bühne stehst und merkst: “Oh, es läuft nicht so gut, aber ich habe diesen einen Hurensohn-Gag und der funktioniert immer”, dann wirst du dazu verleitet, nur noch Hurensohn-Gags zu machen. Und dann ist man vielleicht schnell in einem Genre von Comedy, das man selber gar nicht so gut findet, aber das ist das einzige Genre, mit dem man auf der Bühne nicht stirbt.
Kannst du etwas über deinen Schreibprozess erzählen? Wie bereitest du dich auf einen Auftritt vor?
Ich schreibe meine Ideen teilweise ins Handy. Das ist das Einzige, was ich immer mitnehme. Immer wenn mir was einfällt, schreibe ich es in die Notiz-App. Am Anfang habe ich mich noch an den Rechner gesetzt und mir gesagt: “Themen, Themen, Themen! Du hast in drei Stunden eine Show – was erzählst du da?” So war am Anfang mein Arbeitsprozess und so sind sehr viele Sachen entstanden, die nicht unbedingt gut waren. Ich habe unfassbar viel weggeschmissen. Ich habe geschrieben, bin aufgetreten und wenn das nichts war, habe ich sehr schnell ALLES weggeschmissen, anstatt dran zu arbeiten.
Woran erkennst du denn, woran du nochmal feilen musst oder was kein Potential mehr hat?
Am Anfang habe ich es gar nicht erkannt, glaube ich. Deswegen habe ich so viel geschrieben. Mittlerweile stelle ich mir die Frage: Was gefällt mir? Was hat Potential und wo habe ich die Punchline vielleicht noch nicht ganz? Man entwickelt irgendwann so ein Gefühl.
“Man muss sich stark von dem Gefühl verabschieden, das sei ‘mein Kunstwerk’ und man erschaffe hier etwas. Das ist eine Dienstleistung. Du schreibst FÜR jemanden. Letztendlich musst du deine Sachen auch loslassen können.”
Haben dir die Auftritte auf der Bühne schon mal zu einem Autor:innen–Job verholfen?
Ich denke, es hilft generell, wenn du auf Open Mics zu sehen bist, sodass die Produktionsfirmen wissen, dass du existierst. Aber ob man da jetzt entdeckt wird, weiß ich nicht. Bei mir ist es mehr über Twitter gekommen und mittlerweile über die Autoren-Szene, die nochmal eine eigene Szene ist.
Wie genau kann man sich das vorstellen?
Der normalste Weg läuft über Empfehlungen: Leute haben schon mit dir gearbeitet, gehen in andere Produktionen und wenn da neue Autorinnen und Autoren gesucht werden, denken sie an dich. Ansonsten hat mir in den Anfängen Twitter geholfen, so dumm das auch klingt, weil da viele Journalisten und Leute aus der Branche sind. Die btf hat mich über Twitter angeschrieben, weil sie wohl ab und an neue Autoren über diesen und andere Kanäle rekrutieren. So bin ich an eine Hospitanz bei Carolin Kebekus gekommen. Manchmal gibt es aber auch Bewerbungsaufrufe – da musst du dann deine drei Gags und deine vier Ideen für einen Sketch schreiben. So kommt man ebenfalls an Jobs. Das meiste läuft aber über Mundpropaganda.
Wenn du daran denkst, wie du damals für Carolin Kebekus geschrieben hast: Wie sehr hast du das Gefühl, dass deine Stimme drinsteckt?
Das Ego muss man ablegen. Wenn man einen Monolog für eine Show schreibt, dann schreibt man ihn nicht einfach runter. Man muss abliefern. Man haut am Tag 20 bis 40 One-Liner raus. Und dann kommt einer rein, wenn du Glück hast und der wird dann noch umgeschrieben. Man muss sich stark von dem Gefühl verabschieden, das sei “mein Kunstwerk” und man erschaffe hier etwas. Das ist eine Dienstleistung. Du schreibst FÜR jemanden. Letztendlich musst du deine Sachen auch loslassen können. Ich habe wahnsinnig witzige Sachen geschrieben, die noch nicht mal angeguckt und sofort rausgestrichen wurden. Man darf an nichts hängen.
Das muss für Künstler:innen besonders schwierig sein, weil man sich mit den Texten identifizieren möchte und sich vulnerabel macht, oder?
Dafür habe ich Stand-Up. Hier kann ich dann schreiben, was ich möchte und was ich gut finde. Da spricht mir keiner rein und das ist eben bisschen künstlerischer. Das andere ist etwas handwerklicher.
Gibt es Tricks fürs Handwerk?
Ich habe zuhause über meinem Schreibtisch technische Hilfsstellungen fürs Comedyschreiben auf Zetteln hängen. Die gibt es ja ohne Ende. Das kann einem manchmal helfen, wenn man festgefahren ist. Aber es muss auch ein bisschen “aus der Feder herauskommen”. Wenn eine Autorin oder ein Autor ein Buch schreibt, dann kennen sie das Handwerk, aber es ist auch irgendwann in ihnen drin, sodass sie schreiben können, ohne dass sie nochmal nachschlagen müssen, wie man Bücher schreibt. Es ist verinnerlichtes Handwerk.
In deinem Hauptjob produzierst du für den WDR die Programm-Trailer. Hilft dir die Erfahrung aus dieser Arbeit bei der Comedy?
Durch die Trailer habe ich gelernt, mich kurz zu halten. Du hast keine Zeit bei Trailern ganze Abhandlungen zu schreiben. Und das ist auch ein Hauptmerkmal in der Comedy. Außerdem darfst du sowohl bei den Trailern als auch in der Comedy nicht gestelzt reden – die Leute müssen dich verstehen. Ich glaube, John Mulaney hat mal den Tipp bekommen: “Nobody cares how clever you are”. Du musst einfach das, was du sagen möchtest, verständlich rüberbringen können.
Macht es da einen Unterschied, ob du für die Bühne oder fürs Fernsehen schreibst?
Das macht auf jeden Fall einen Unterschied. Du musst natürlich bedenken, dass das zwei sehr unterschiedliche Formate sind. Wenn du für eine Show schreibst, dann kommt es sehr stark darauf an, was das für eine Sendung ist und ob du das für eine Person schreibst. Das ist was anderes als einen Stand-Up zu schreiben. Auch Stand-Up im Fernsehen funktioniert ganz anders. So wie Carolin Kebekus, Jan Böhmermann oder Tommi Schmitt rauskommen und ihre drei Gags erzählen, würdest du nie auf eine Open Mic Bühne gehen. Das würde nie funktionieren.
Schreibst du eigentlich lieber für die Bühne oder fürs Fernsehen?
Mir fällt es leichter für alles andere, außer für mich zu schreiben. Es ist einfacher für etwas zu schreiben, das von dir abgekoppelt ist. Sonst stellt man sich immer die Frage “wer bin ich?”, “was will ich überhaupt sagen?” Für andere und anderes zu schreiben, nimmt mir den Druck, weil ich mir keine Gedanken darüber machen muss.
Für dich selbst zu schreiben, setzt also voraus, zu wissen, wofür du stehst. Würdest du behaupten, du hast deine eigene Stimme schon gefunden?
Ne, aber ich glaube, ich komme da so langsam hin. Anfangs tat es mir sehr weh zu bomben – also, wenn keiner im Publikum lacht – und das wollte ich verhindern. Deswegen hatte ich ein paar Bits, die jetzt gar nicht so toll waren, hinter denen ich gar nicht stehe. Man läuft Gefahr, sich da etwas zu verlieren. Ich habe am Anfang viel ausprobiert, weil ich dachte, auf der Bühne kannst du alles sein – also sei doch mal alles. Spiel doch mal verrückt. Man spielt ja immer irgendwas oder irgendwen auf der Bühne. Dazu kommt, dass inzwischen viele Leute eine “John-Oliverisierung” von Comedy verlangen. Heutzutage gibt es eine leichte Tendenz, dass alles relevant sein muss oder du als Frau etwas Feministisches machen und eine Aussage tätigen musst.
Macht der Trend es schwieriger, die eigene Stimme innerhalb der Comedy zu finden?
Ich weiß nicht, ob es das schwieriger macht, aber es ist ein Anspruch, der gerade so herrscht. Schau dir alle lustigen Menschen an, die ins Fernsehen kommen. Das ist nicht nur Quatsch – Carolin Kebekus, Jan Böhmermann, Aurel Mertz… Sie machen mehr als Comedy. Das ist alles mit einer gesellschaftlichen Relevanz, was ja auch toll ist.
Zum Schluss noch ein Tipp für all diejenigen, die auch Comedy-Autor:innen werden wollen?
Ich glaube, ich fand Twitter hilfreich, um sich aufzubauen und die Muskeln im Gehirn, was schnellen Humor angeht, zu trainieren. Manchmal gibt es auch Workshops, die ganz gut sind. Außerdem muss man auch einfach die Leute kennen. Ich bin immer zum Cologne Comedy Connector gegangen und habe dort Hände geschüttelt, obwohl ich eigentlich ganz schlecht darin bin, auf Leute zuzugehen und zu sagen: “Hey, ich bin Autorin!” Letztendlich: Wohn in Köln und halt deine Fresse überall hin. Dann wird schon irgendeiner kommen, der sagen wird: “Ja dann schreib hier halt mal was!”
Lieben Dank für das Interview, Shari!