Mariella Tripke: "Eine lustige Frau schüchtert Männer ein, weil sie Sachen auf den Punkt bringt"
Comedy-Autorin Mariella Tripke spricht im Interview über ihren Einstieg in die Branche, ihre Arbeitsweise und alte Säcke in hohen Positionen. Als Autorin für Formate wie „Neo Magazin Royale“, „Pussyterror TV“, „heute show“, „Kroymann“, „Mann, Sieber!“, „Late Night Alter“ und mehr kennt sie die Branche von Kabarett bis Sketch.
Mariella, du bist Comedy-Autorin. Macht dich dein Beruf glücklich?
(lacht) An sich sollte es mich glücklich machen, weil ich das, was mich glücklich macht, zu meinem Beruf gemacht habe: Schreiben und mir Sachen ausdenken. Gerade das macht einen dann aber nicht immer glücklich, weil auch ein gewisser Druck dahinter steht und man sich beweisen muss. Wenn man das nur als Hobby macht, ist es wesentlich leichter und man nimmt Sachen nicht so persönlich. Wenn man das hauptberuflich macht, dann muss man halt auch mal für Menschen oder Firmen schreiben, hinter denen man eigentlich nicht so sehr steht – weil man seine Miete zahlen muss.
Hast du ein Beispiel?
Ich bin eher der rebellische und aufmüpfige Typ, das passt nicht immer in diese Branche. Das wusste ich vorher auch nicht. Du musst dich oft mit Personen – meistens Männern – arrangieren, die ein ganz anderes Weltbild haben, als man selbst. Egal ob es um Sexismus geht oder ob die sehr konservativ sind: Du musst viel runterschlucken oder du verlierst deinen Job. Man ist halt Dienstleister oder Dienstleisterin.
Wie bist du in die Comedy Branche gekommen und gab es jemanden der dich empfohlen beziehungsweise unterstützt hat?
Während meiner Elternzeit, habe ich gehört, dass die Heute Show Online noch Leute sucht und hab mich da einfach mit ein paar Onelinern beworben. Jochen Voß hat mich eingeladen und mir empfohlen mich bei der Comedy Master Class zu bewerben. Da waren dann Leute wie er und Thomas Rogel, die mir sehr geholfen haben. Später kamen dann noch Leute wie Micky Beisenherz, wofür ich sehr dankbar bin. Ich hatte aber auch das Glück, dass zu dem Zeitpunkt „Me too” schwer diskutiert wurde und plötzlich wollten alle Produktionsfirmen Frauen. Das war etwas schwierig.
Was war daran schwierig?
Natürlich fragt man sich: Wollen die mich oder einfach eine Frau? Es war aber eine Startchance – und als Neue in der Branche sprichst du das dann auch nicht an und nimmst die Chance wahr. Wenn ich nicht einigermaßen gut wäre, hätte ich mich auch nicht durchgesetzt. Das rede ich mir ein (lacht). Ich hatte aber auch das Glück, dass Carolin Kebekus schnell auf mich aufmerksam geworden ist.
Wie kam es denn dazu, dass du dich bei der heute show beworben hast? Hast du in deiner Freizeit schon lustig geschrieben? Oder kanntest du schon jemanden, der in dem Beruf tätig war?
Ich war früher mal Produktionspraktikantin beim Fernsehen und habe nach der Uni als Werbetexterin gearbeitet. Werbung und Mutterschaft lassen sich aber einfach nicht vereinbaren und mir wurde schon gesagt, dass es vermutlich nicht cool für mich wird, wenn das Baby dann da ist. Dann habe ich einen Bekannten von früher gefragt, wie man denn Autorin beim Fernsehen wird. Dabei habe ich gar nicht an Comedy gedacht sondern: „Vielleicht kann ich ja sowas wie ‚Berlin Tag‘ und Nacht schreiben“. Er meinte dann, ich soll mich einfach bewerben.
Wie lange hat es gedauert bis du hauptberuflich Comedy-Autorin geworden bist?
Ein halbes Jahr. Das ging wirklich schnell. Ich hatte aber durch die heute show online, die heute show und PussyterrorTV wirklich große Namen dabei. Gleichzeitig hat mich Thomas Rogel unterstützt und das Content-Netzwerk Funk wurde aufgebaut, das mehr auf Nachwuchs- Autorinnen gesetzt hat.
Wie darf man sich einen Alltag in diesem Beruf vorstellen?
Das ist unterschiedlich und kommt drauf an für welche Produktion ich arbeite. Durch Corona arbeite ich viel von Zuhause aus. Ich begrüße das, denn ich sitze ungern in Redaktionen. Ich sitze gerne mit Menschen zusammen und überlege, aber in einem hässlichen Büro etwas aufschreiben und ausdenken ist für mich ungünstig, da ich auch viel nebenbei mache.
Zum Beispiel?
Während wir telefonieren laufe ich die ganze Zeit rum. Dann sitze ich da und schreibe einen Sketch und dann fällt mir nichts mehr ein. Ich gehe dann kurz mit dem Hund raus oder wasche mir die Hände oder mache mir etwas zu essen und laufe mal eine Runde um den Block. Genau das brauche ich, das Beiseitelegen und weiter überlegen. Deswegen hast du auch keinen klassischen Arbeitstag, denn im Grunde arbeitest du immer. Wenn es ideal für mich läuft, dann habe ich ein Thema und schaue mir das an, und nachdem ich Notizen gemacht habe, lege es weg und immer, wenn mir etwas einfällt, schreib ich das auf. Zwei bis drei Tage später schreibe ich dann den kompletten Sketch oder das Stand-up.
Gibt es etwas, das dir im Berufsalltag eher schwer fällt?
Ich finde es nicht gut, wenn ein Anruf kommt „Kannst du nochmal schnell?”. Ich lasse ein Thema gerne wirken. Was ich auch nicht mag, was aber vor allem bei Late Nights gemacht wird, ist: Spiele ausdenken. Daran scheitere ich auch.
Wie hast du das Handwerk für Humor gelernt? Also wie man einen Witz schreibt, wie man die Komik aus einer Situation herausarbeitet ?
Ich glaube du brauchst einen speziellen Blick auf die Welt, um Komik zu sehen. Ich weiß nicht, ob man das lernen kann. Man merkt ja wie unterschiedlich Comedians sind. In der Comedy Master Class, habe ich dann verschiedenen Techniken gelernt – zum Beispiel den „Dreier“ oder das „Wie wir sagen würden“.
Arbeitest du eher nach handwerklicher Technik oder nach Bauchgefühl?
Das ist fast alles nach Gefühl. Manchmal bekomme ich ein Thema, mit dem ich gar nichts anfangen kann und dann passen die Techniken ganz gut, um abzuliefern.
Wie viel Prozent Talent und wie viel Prozent angeeignetes Handwerk gehören zu deinem Beruf?
Es muss zumindest ein Gespür für Komik da sein
Hast du Tipps für junge Leute die in der Szene nachkommen?
Einfach bewerben. Die Leute denken, man muss entdeckt werden, dabei sollte man einfach in Kontakt mit Produktionsfirmen treten. Offene Bühnen sind auch immer gut, um sich zu trauen. Dazu kommt, dass Social Media einem viele Optionen bietet.
Mal abseits des Alltags als Autorin. Wie schätzt du die die Lage des Humors momentan ein? Glaubst du der Zeitgeist steht in einem Zusammenhang mit dem Erfolg eines Witzes? oder glaubst du es kommt nur auf den Witz an?
Es war früher mit Sicherheit leichter Witze zu erzählen, weil die Leute nicht so politisch korrekt waren. Nimmt man mal die Shitstorms bei Lisa Eckhart und Dieter Nuhr: Früher hat das keiner hinterfragt. Also steht der Zeitgeist als Barriere für Witze. Wobei das eine gute Entwicklung ist, wenn man bedenkt, dass gegen Minderheiten geschossen wird. In der nächsten Zeit wird da noch einiges passieren.
Wieso unterscheiden noch immer so viele zwischen „Männer Comedy” und „Für eine Frau ganz lustig”? Wieso kann das Geschlecht nicht egal sein? und man sagt „den finde ich lustig” und „sie trifft meinen Humor” und eine andere Comedienne zum Beispiel nicht – aber das hat dann nichts mit dem Geschlecht zutun sondern mit der Comedy selbst.
Männer sind immer noch stärker in dieser Gesellschaft – und eine lustige Frau schüchtert Männer ein, weil sie Sachen auf den Punkt bringt und schnell ist. Sie kann jemanden verspotten. Aber ein lustiger Mann hat immer noch einen Bonus bei Frauen: Selbst wenn er nicht so attraktiv ist, kann er mit gutem Humor bei ihr punkten – und das will Mann sich nicht nehmen lassen. Bei anonymer Comedy würde keiner einen Unterschied bemerken. Es ist tatsächlich auch so, dass nicht viele lustige Frauen erlaubt sind. Die lustige Frau ist Carolin Kebekus und dann gibt es Hazel Brugger. Während da haufenweise Männer sind, die alle denselben Kram machen.
Es kommen gerade ja auch viele Frauen nach, wie zum Beispiel Maria Clara Groppler, die jetzt den Newcomerpreis gewonnen hat.
Ja aber selbst sie wird in die Schublade gepresst, sie sei der weibliche Felix Lobrecht. Nein! Sie ist einfach Maria Clara Groppler. Als ob Frauen immer ein Label brauchen. Es sagt ja auch keiner über Felix Lobrecht, er wäre die männliche Maria Clara Groppler. Das klingt absurd.
Was glaubst du entwickelt sich gerade sehr positiv in der Branche?
Dass das Augenmerk darauf fällt, dass Frauen in Schubladen gepresst werden, die etwas mit Humor machen. Das wird sich dann irgendwann erledigen und dann steht da eine Person auf der Bühne und das Geschlecht ist egal. Vielleicht in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren.
Was ist dir als Autorin lieber: Live- Programm oder Fernsehproduktion?
Von den Live-Programmen habe ich als Autorin nicht viel. Das ist eher still und heimlich, deswegen Fernsehproduktion. Spaß macht beides.
Drei Dinge, die du an deinem Job am meisten liebst?
Erstens: Ich hab sehr viele tolle Menschen, mit denen ich arbeite. Zweitens: Ich mag, dass Humor immer ein Weg ist, auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Drittens: Ich mag die Vielfalt.
Drei Dinge, von denen du dir wünschst, dass sie in der Branche anders wären?
Die Egos einiger Menschen, die Unterscheidungen zwischen den Geschlechtern und dass die ganzen alten Säcke, die in den frühen Nuller-Jahren, während der goldenen Zeiten des Privatfernsehens, Comedy gemacht haben, aber deren Humor hauptsächlich darin bestand, homophobe, sexistische und rassistische Witze zu reißen und die immer noch auf den hohen Positionen sitzen. Ich will, dass die endlich in Rente gehen.
Mariella, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Daphni Georoglidou