Skip to main content

Miguel Robitzky: So entsteht eine lustige Graphic Novel

Miguel Robitzky ist Comedy-Autor und Karikaturist. Er schreibt für das „ZDF Magazin Royale“, erschuf für das „Neo Magazin Royale“ den „Geist von Helmut Kohl“ und hat fünf Jahre lang Karikaturen für DWDL gezeichnet. Am 20. Juli ist bei Rowohlt seine erste Graphic Novel „Mein Leben unter Ludwig II.“ erschienen. Darin werden die Memoiren von Cosa Rasa, dem Leibreitpferd von Ludwig II. erzählt. Im Interview erzählt er von seiner Arbeit an der Graphic Novel, der Arbeit als Comedy-Autor und Karikaturist und über originelle Comedy.

Du arbeitest im Humorbereich mit unterschiedlichen Formen. Du schreibst für Comedy-Formate im Fernsehen, machst Karikaturen und Comics, tweetest viel, stehst manchmal vor der Kamera, hast auch Puppen gespielt. Wie kann man sich das vorstellen, wenn du kreativ arbeitest? Hast du Ideen und überlegst dir: Wofür ist da das beste Outlet? Oder sagst du: Jetzt nehme ich mir Zeit zum Zeichnen, jetzt schreibe ich Witze etc.?

Da muss man erst mal unterscheiden, dass es für mich zwei Formen des Arbeitens gibt. Zum einen Arbeiten, die man nur ausführt. Bei mir ist das z.B. das Puppenspielen. Da bin ich nur der Performer, der Sketche spielt, die jemand anderes geschrieben hat. Und dann gibt es natürlich die Aufträge, bei denen man selbst kreativ wird und Hand anlegt. Das waren früher meine Karikaturen, jetzt sind das Comics oder diese Comedy-Sachen. Bei denen schwingt natürlich auch immer ein bisschen mit: In was für einer Sendung ist man, für was schreibt man? Aber tatsächlich ist es so, dass sich das alles total gegenseitig befruchtet. 

Inwiefern befruchtet sich das?

Früher dachte ich, dass ich mich irgendwann für eine von diesen Sachen entscheiden müsste. Ich habe schon sehr früh angefangen zu zeichnen, meine Figuren zu animieren oder als Puppe zu bauen, Sketche aufzuführen oder im Schultheater zu spielen. Tatsächlich merke ich jetzt, dass es meinen Zeichnungen ganz gut tut, wenn ich auch lustig schreiben kann, was ich aber mehr bei der Late-Night-Comedy gelernt habe. Oder dass es den Texten auch gut tut, wenn man eine Figur hat, die etwas sagen kann, wenn man selbst es gerade nicht kann. Wenn man eine Puppe bauen will, ist es ganz gut, wenn man die vorher aufzeichnen kann.

Helfen deine Erfahrungen als Zeichner auch beim Schreiben für Comedy? Fällt es dir z.B. einfacher, mit Worten Bilder zu schaffen?

Bei der Arbeit für Sendungen habe ich gemerkt, dass es in einem Team total hilfreich ist, wenn Leute eine unterschiedliche Prägung mitbringen. Damals beim „Neo Magazin Royale“ und auch jetzt beim „ZDF Magazin Royale“ haben wir das ganz gut. Einer hat früher gerappt und kann gut reimen. Jemand anderes ist eher literarisch oder kann gut Sketche aufbauen. Oder jemand kommt aus dem Marketing und weiß deswegen gut, was beim Publikum ankommt. Da kann ich mitbringen, dass ich sehr in Bildern denke. Das hilft dann z.B., wenn man Einblendungen schreibt. Der Vorgang im Kopf ist da ähnlich, wie wenn man einen Cartoon herstellt. Nur dass ich es dann eben nicht zeichne, sondern dass es die Grafik hinterher umsetzt.

Welche Bedeutung hat Twitter für dich als Autor?

Auf Twitter bin ich eigentlich den ganzen Tag (lacht). Insofern hat es eine große Bedeutung. Ich hab das während der Schulzeit mehr aus Langeweile angefangen. Bei Twitter hab ich im Prinzip alles drin: Nachrichten und direkt die persönliche Meinung von Leuten dazu. Es ist für meinen kreativen Output ganz gut, weil man in einer ständigen Übung ist.

Vor kurzem ist deine Graphic Novel erschienen, darin geht es um die Memoiren des Leibreitpferdes von Ludwig II. Wie bist du auf das Thema gekommen?

Während eines nächtlichen Wikipedia-Rauschs (lacht). Wie das manchmal so ist: Man hängt nachts auf Wikipedia rum und klickt sich durch Artikel. Da bin ich auf den Artikel von König Ludwig gestoßen. Als Kind war ich sogar mal auf Schloss Herrenchiemsee, das ist mir damals schon in Erinnerung gewesen. Deswegen hatte ich ein paar Assoziationen im Hinterkopf, aber hatte die Geschichte überhaupt nicht parat. Als ich das gelesen habe, dachte ich mir: Das klingt eigentlich schon wie ein Filmplot. Ich war erstaunt, dass das noch niemand großflächig fiktional aufgearbeitet hat. Dann bin ich von einem Klick zum nächsten, plötzlich bei dem Pferd gelandet. Das hat dann die ganze Geschichte noch absurder gemacht. 

Geil, es ist einfach eine Aufeinanderreihung von Sketchen, die auch noch einen Spannungsbogen hat. Seine Biographie hat eigentlich alles mitgebracht, was es für einen sowohl tragischen wie auch lustigen Plot braucht.“

Was ist so absurd an dem Pferd?

Man muss wirklich wissen: Dieses Pferd hat tatsächlich existiert und steht bis heute ausgestopft auf Schloss Nymphenburg. Ich habe dann plötzlich Gemälde gefunden, die der König sich hat malen lassen, wie das Pferd an einem gedeckten Tisch gesessen hat, wie es bei ihm frühstückt und was weiß ich. Da dachte ich: Dieses Duo „König und Lieblingspferd“ klingt schon wie aus einem Comic. Dann habe ich angefangen, die zu skizzieren und daraufhin habe ich gedacht: Da könnte man noch mal weiter recherchieren. Dann bin ich wirklich von einer absurden Geschichte aus seinem Leben in die nächste gestolpert und dachte mir einfach: Geil, es ist einfach eine Aufeinanderreihung von Sketchen, die auch noch einen Spannungsbogen hat. Seine Biographie hat eigentlich alles mitgebracht, was es für einen sowohl tragischen wie auch lustigen Plot braucht. Musste ich mir gar nicht mehr selbst viel dazu ausdenken.

Hast du einen Bildungsanspruch mit deinem Buch, also willst du sozusagen Geschichtsunterricht geben? Oder soll es einfach lustig und unterhaltsam sein?

In erster Linie auf jeden Fall lustig und unterhaltsam. Wenn man was dabei lernt, ist es glaube ich nie schlecht. Aber ich hatte schon den Anspruch, dass ich nicht mit Absicht falsche Sachen erzähle oder die Geschichte verfälsche. Das wurde alles von einem echten Historiker und Ludwig-Biographen überwacht. Der hat alles abgesegnet, was ich geschrieben habe. Ich habe ihn zwischenzeitlich Zwischenstände durchlesen lassen und viel mit ihm telefoniert. Aber in erster Linie ist es glaube ich für ein Debüt ganz gut, wenn man eine Geschichte hat, die bereits existiert. An der kann man sich beim Schreiben und Plotten ein bisschen entlang hangeln. Das war auch mit einer der Gründe, warum ich gesagt habe: Ich suche mir eine Geschichte oder eine historische Figur, die man entkernen und neu interpretieren, neu erzählen kann.

Buch-Trailer:

Originelles Thema auf jeden Fall. Wie findet man Themen für Comedy, die noch nicht so oft humoristisch bearbeitet wurden?

Das ist glaube ich das allerschwerste. Ich finde, es ist erst mal gar nicht so wichtig, was zu suchen, was noch nie gemacht wurde. Man kann sich gerne an allem bedienen, was es bereits gibt, so lange man eine eigene Note dazu finden kann. Da muss man gucken, was einen selbst interessiert. Mich interessiert es eher, wenn man etwas von den Personen mitbekommt, die Komik produzieren. Wenn es nicht so eine leere Hülle ist und man danach guckt: Was könnte die Leute interessieren? Sondern eigentlich ist es spannend, wie bei jeder Kunstform, zu gucken: Was interessiert den Künstler, will der was sagen? Wenn man sich für Geschichte interessiert, sollte man was über Geschichte machen. Wenn man sich für Kunst interessiert, soll man etwas über Kunst machen. Wenn man sich für Pupsen interessiert, soll man was über Pupsen machen. Das kann alles interessant sein, wenn es gut gemacht ist. 

Was war die größere Herausforderung für dich bei der Arbeit an dem Buch bzw. was hat mehr Zeit in Anspruch genommen: Die Story und die Gags oder die Zeichnungen?

Auf jeden Fall die Story. Ich habe das Buch drei mal erst schriftlich rein geschrieben, wie so ein Drehbuch. Es gab zwei große Überarbeitungsprozesse und noch ein paar kleinere zwischendrin. Das war sehr mühsame Puzzle-Arbeit: Sachen noch mal streichen, umstellen und so. Ich glaube, das hat inklusive Recherche eineinhalb Jahre gedauert. Die Hauptaufgabe war eher, zu gucken: Was kann man weglassen, ohne die Geschichte zu verfälschen. Wir hatten ja einen Riesen Berg an Recherchen, geilen Geschichten und Anekdoten. Dann kommt bei uns noch die teilfiktionale Geschichte mit dem Pferd, mit der Vorgeschichte, dazu. Dann war eigentlich die Hauptaufgabe, zu gucken: Wir haben einen fiktionalen Plot und einen historischen Plot. Wie können wir die zwei Zahnräder möglichst geschickt ineinander laufen lassen, so dass sie beide nebeneinander und vor allem miteinander funktionieren? Das Zeichnen hat noch mal ein halbes Jahr gedauert, dann aber auch wirklich von morgens bis abends. Das war beides ein sehr anstrengender Prozess.

Lass uns noch mal zu deiner Arbeit fürs Fernsehen kommen. Für das „Neo Magazin Royale“ hast du den „Geist von Helmut Kohl“ erschaffen, eine Comicfigur, die aus der Wunderlampe steigt, in das Studio animiert wurde und mit Jan Böhmermann gesprochen hat. Den Geist hast du gezeichnet und gesprochen. Wie ist dir die Idee gekommen, diese unterschiedlichen Talente und die beiden Welten zu vereinen?

Ich glaube, die Grundidee, dass es lustig wäre, eine Cartoonfigur als Gast zu haben, kam gar nicht von mir. Die Idee ist im Autor*innenraum aufgekommen. Wenn mich nicht alles täuscht, muss ich die Props an Max Bierhals geben. Ich war dann zufällig der, der es zeichnen konnte und dann hieß es: Miguel, kannst du dir mal dazu Gedanken machen? Ich habe mich dann zurückgezogen und überlegt, welche Figur cool wäre, da zu haben. Da sind wir dann schnell auf einen Geist gekommen. Das war eigentlich mehr, um eine Rechtfertigung zu haben, warum die Figur gezeichnet ist. Wenn man eine lebende Figur gehabt hätte, hätte man das ja erklären müssen: Warum ist die jetzt gezeichnet? Dann ist man schnell dabei gelandet: Es wäre toll, eine bereits verstorbene Figur zu haben. Dann bin ich schon relativ viele historische Persönlichkeiten durchgegangen, Friedrich Schiller war z.B. auf der Ideenliste. Irgendwie sind wir dann bei Helmut Kohl gelandet, der eine Art Experte für alles werden sollte, was in der CDU passiert. Den habe ich dann gezeichnet und gesprochen.

Der Geist von Helmut Kohl:

Was für Potenzial siehst du in Deutschland noch im Cartoon-/Comic-Comedy-Bereich?

Ich glaube, das Verhältnis zwischen Deutschland und Cartoons und überhaupt Unterhaltungsindustrie ist immer ein bisschen gespalten. Ich bin sehr froh um jeden, der was beisteuert. Es gibt immer wieder Leute, die sehr gute Sachen machen. Aber ich finde, was total fehlt, ist eine funktionierende Industrie im Hintergrund, die es auch ermöglicht, dass man als Branche zusammenwächst und nicht immer so Einzelkämpfer hat. Das ist bei der Comedy ganz ähnlich wie bei Comics. Ich habe den Eindruck, in anderen Ländern hat man mehr Möglichkeiten. Aber man soll jetzt auch nicht zu kulturpessimistisch sein, das kann ja alles wachsen. Man muss Leuten erst mal die Möglichkeit im Gehirn geben, dass es ein Beruf ist, den man ausüben kann. Und dass man damit auch nicht zwangsläufig verarmt. Ich glaube, in der Schule wird einem das schon ausgetrieben. Als ich in der achten Klasse zur Berufsberatung gegangen bin, wurde mir vorgeschlagen, Physiotherapeut oder Masseur zu werden, weil ich gesagt habe, dass ich gerne knete. Aber ich meinte Knetanimationen (lacht).

In den USA gibt es ja viele progressive Cartoons für Erwachsene, z.B. „Rick and Morty“ oder „Bojack Horseman“. In Deutschland nicht, oder?

In Amerika gibt es eine ganze Batterie an unterschiedlichen Formaten, die alle eine unterschiedliche Prägung haben: Die „Simpsons“, „Family Guy“, „Rick and Morty“, „Bojack“ und so. Von so einem Format fällt mir nichts vergleichbares ein, was es in Deutschland gibt. Was komisch ist, weil die Simpsons seit 30 Jahren mega erfolgreich laufen. Zeichentrick ist halt eine sehr teure Form von Comedy und ich weiß nicht, ob ein Sender in Deutschland dafür das Geld aufbringen würde. Es kann sich jedenfalls jeder Sender jeder Zeit bei mir melden (lacht).

Du bist sehr jung in die Medien- und Unterhaltungsbranche gekommen. Hast du Tipps für Nachwuchstalente, also Nachwuchsautor*innen, Nachwuchskarikaturist*innen etc., die jetzt starten wollen?

Ich fände es ein bisschen vermessen, als 24-jähriger Tipps für Nachwuchs zu geben (lacht). Ich glaube, da gehöre ich selbst noch ein bisschen in die Kategorie. Aber gut, ich habe mit 16 angefangen, Karikaturen zu zeichnen. Ich glaube, es ist immer gut, wenn man irgendwas macht, was man Leuten schon mal zeigen kann. Wenn es erst mal keiner mitbekommt, ist es überhaupt nicht schlimm. Wenn man Spaß an etwas hat, sollte man das machen und muss dann im nächsten Schritt darauf achten, dass es jemand mitbekommt. Das ist vielleicht das einzige, was ich sagen könnte. 

Vielen Dank für das Interview!

„Mein Leben unter Ludwig II.“ ist am 20. Juli erschienen und hier erhältlich.

Interview: Eike Lennart Sell

05.08.2021

Foto: Joel de Lafuente Torres (oben)

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner