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Patreon: Geld für Gags – ganz ohne Gatekeeper

Es wird immer einfacher, selbst Inhalte zu produzieren und online zu veröffentlichen. Aber wie können diese Inhalte monetarisiert werden, ohne zu einem Sender zu gehen oder große Sponsoren heranzuziehen? Eine Möglichkeit stellen Plattformen wie Patreon dar, mit denen individuelle Abo-Modelle für Fans angeboten werden können.

Die Unterhaltungsindustrie wandelt sich und auch in der Comedy bringt der Wandel der industriellen Strukturen neue Formen der Finanzierung, der Zusammenarbeit mit Partnern und neue Allianzen mit dem Publikum.
Immer mehr Künstler*innen beklagen die industriellen Strukturen, in denen sie arbeiten oder gearbeitet haben. So hat Kanye West auf seinen Grammy gepinkelt, die Verträge der Musikindustrie sieht er als ungerecht und nicht rechtens an. Kürzlich hat sich auch Comedian Dave Chappelle mit Bezug auf die damaligen Verträge der Chappelle’s Show negativ über die Unterhaltungsindustrie geäußert: „I believe that they gave me a raw deal because this fucking industry is a monster“. 

Nicht wenige etablierte oder aufstrebende Künstler*innen haben das Bedürfnis, sich von der Industrie zu emanzipieren. Nicht zuletzt, weil es immer einfacher wird, selbst Videos und Podcasts zu produzieren und über Social Media, YouTube und Podcatcher eine eigene Fanbase aufzubauen und nicht nur inhaltlich, sondern auch wirtschaftlich an sich zu binden.

In diesem Zusammenhang ist derzeit die Plattform Patreon sehr gefragt, um selbstproduzierte Inhalte ohne die Abhängigkeit von Sendern, Labels oder großen Streaminganbietern zu monetarisieren.

Auf Patreon erstellen Künstler*innen oder Kollektive einen Account und bieten ihren Fans dort Bezahl-Abo-Modelle an. Manchmal nur ein Abo zu einem einzigen Fest-Preis, manchmal unterschiedliche Abos zu unterschiedlichen Preisen. Bei manchen Künstler*innen-Accounts geht es einfach um die finanzielle Unterstützung, die meisten bieten ihren Fans hinter der Abo-Paywall aber als Gegenleistung auch exklusive Inhalte an. Das können z.B. Podcasts, Musik, Videos, Bilder oder Texte sein. Die Plattform kommt dabei ohne Werbeanzeigen und Algorithmen aus. Patreon behält dabei von den Zahlungen 5-12% Provision ein, außerdem fallen Transaktionsgebühren an. Bei den Künstler*innen selbst landen schließlich 83-90 Prozent der Einnahmen.

Ein Beispiel aus der internationalen Comedy: Der Podcast Cum Town der Comedians Nick Mullen, Stavros Halkias und Adam Friedland bietet für Fans, die mehr als die üblichen frei verfügbaren Folgen hören und den Podcast finanziell unterstützen möchten, drei Abo-Stufen an. Abos für 5 Euro, für 14,50 Euro und für 24 Euro. In jedem Abo gibt es eine Premium Folge pro Woche sowie Zugang zu Liveshows, Videos und einem Discord-Server. Mit den teureren Abos bekommt man hier keine zusätzlichen Inhalte, man unterstützt damit lediglich den Podcast ein bisschen mehr.

Mit diesem Modell hat der Podcast derzeit über 18.000 Patreon-Unterstützer*innen, durch die über 60.000 Euro monatlich zusammenkommen. Bei manchen anderen Podcasts unterscheiden sich die Inhalte nach dem gewählten Abo. Der deutschsprachige Podcast Im Autokino von Max „Rockstah“ Nachtsheim und Chris Nanoo bietet Abos für 2 Euro und für 6 Euro an. Bei beidem gibt es Zugang zu zusätzlichen Podcast-Formaten und -Folgen, für das teurere Abo sind jedoch Folgen zugänglich, die im 2-Euro-Abo nicht enthalten sind.

Für Comedians ist das Patreon-Model mit der Corona-Pandemie noch mal interessanter geworden. Live-Auftritte sind weggefallen und damit auch ein Hauptteil der Einnahmen. Wer noch nicht groß genug ist, um Werbedeals oder sogar einen Exclusive-Deal mit einem Streaminganbieter zu bekommen, verdient meistens nichts direkt mit Podcasts. Manche Comedians und Podcaster lehnen auch vielleicht Werbe- oder Exclusive-Deals ab und möchten komplett selbstbestimmt arbeiten. Um mit Patreon Geld zu verdienen, brauchen Künstler*innen Fans, die bereit sind, für sie Geld auszugeben. Wer schon eine größere Reichweite hat, ist hier natürlich im Vorteil. Aber es gibt auch kleinere Künstler*innen mit einem Nischenpublikum. Für beispielsweise einen Spotify-Exclusive-Podcast würde ein solches kleines Publikum wohl nicht reichen. Auf Patreon haben aber auch solche Comedians, Podcasts etc. die Möglichkeit, ihre Inhalte zu Geld zu machen.

Neben der Möglichkeit der Unabhängigkeit von größeren Geldgeber*innen ist auch die Exklusivität an Patreon attraktiv. Jeder, der auf die Inhalte und die Kommentarspalte zugreifen kann, hat Geld dafür bezahlt. Somit werden Hater*innen und Trolls ausgeschlossen und eine Community von echten Fans geschaffen.

Im Rahmen des Musikfestivals c/o pop, das 2020 virtuell durchgeführt wurde, haben Sarah Kockler (Creator-Partnerschafts-Managerin bei Patreon) und Ronny Krieger (Europa-Chef von Patreon) in einem Vortrag Tipps für den Patreon-Einstieg gegeben. Kockler erzählt, wer ohnehin Inhalte produziere, könne dies auch weiterhin tun. Für den Schritt zu Patreon empfiehlt sie, sich Gedanken zu machen, zu differenzieren, welche Inhalte weiterhin frei verfügbar sein sollen und welche exklusiver sind. Auch könne man vor dem Launch die Fans fragen, an welchen Inhalten sie auf Patreon interessiert wären. Sie gibt den Rat, klein und mit nicht zu vielen unterschiedlichen Abo-Abstufungen zu starten, so könnte man den Patreon-Account später ausbauen und wäre nicht gleich mit zu viel Arbeit überfordert. Nach den Gedanken über Launch und Inhalte solle man über die Marketing-Strategie nachdenken. Da Patreon nichts Kurzfristiges wie eine Crowdfunding-Kampagne ist, sondern ein langfristiges Modell, rät Kockler dazu, sich eine langfristige Strategie, einen Erfüllungsplan zu überlegen. Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass man sich jede Woche eine Stunde im Kalender markiert, um an der Patreon-Seite zu arbeiten.

Wie plane ich einen Patreon-Account?
  1. Für Launch-Datum entscheiden
    • Mit Datum vor Augen lässt es sich konkreter planen
  1. Abo-Stufen und dazugehöre Benefits überlegen
    • Was wollen die Fans sehen? Wie kann das in die bestehende Content-Planung integriert werden?
  1. Marketing-Strategie erschaffen
    • Organisch, aber beständig
  1. Langfristige Erfüllungsstrategie überlegen
    • Wie kann der Account langfristig und kontinuierlich Mehrwert bieten? Z.B. einen Termin wöchentlich dafür blocken

Einen erfolgreichen Start mit Patreon in Deutschland während der Corona-Pandemie hatten Hazel Brugger und Thomas Spitzer. Die beiden stehen seit Jahren als Stand-up-Comedians auf der Bühne. Vor allem Hazel Brugger füllt große Hallen. 2017 waren sie mit einem Fernsehsender in Gesprächen für eine Sendung. Durch die Vorgaben des Senders fühlten sie sich jedoch eingeengt. „Es war so’n bisschen wie wenn man sagt, ich möchte gerne nen Ferrari fahren und dann sagt jemand: Ja, du kannst schon den Ferrari fahren, aber dann musst du auch nen rosa Polo-Hemd anziehen“, sagte Thomas Spitzer in einem Video der Reihe „Creator Chronicles“. Statt einer Show im Fernsehen haben sie sich dann entschieden, ein Format im Zweier-Team zu produzieren. Entstanden ist die Die Hazel Brugger und Thomas Spitzer haben eine Show Show auf YouTube, später folgten unter anderem Deutschland/Europa Was Geht und Social Distancing. Obwohl die Formate minimalistisch produziert waren, haben sie viel Geld gekostet. Solche YouTube-Videos könne man finanzieren, indem man Produkte bewirbt, eine riesige Abonnentenzahl hat, bei funk ist oder einen großen Online-Shop hat, so Spitzer. Das ist bei den beiden Comedians nicht der Fall. Ein Stück weit hat das Geschäft dadurch funktioniert, dass durch die Videos auch das Live-Publikum von Hazel Brugger größer wurde und somit die Videos über die Live-Auftritte teilweise finanziert werden konnten. Durch die Kombination von Live-Shows und Drehs in den jeweiligen Städten wurden auch Fahrtkosten gespart. Mit der Corona-Pandemie sind dann die meisten Live-Shows weggefallen. Seit Juni 2020 ist Patreon ein entscheidender Bestandteil des Geschäftsmodells von Brugger und Spitzer, wie die beiden in dem Video offenlegen.  Es gibt vier Abos ab 4 Euro monatlich. In jedem ist Zugang zu dem wöchentlichen Podcast Good Vibes Only enthalten, in teureren Abos zum Beispiel noch die Nennung des Abonnenten-Namens im Podcast. Inzwischen sind so über 3.700 Abonnenten zusammengekommen, die einen Betrag von mehr als 14.600 Euro monatlich einbringen. Brugger und Spitzer nutzen das Geld, um die Videos besser und den Arbeitsprozess nachhaltiger zu machen. Langfristig können sie sich bei wachsender Abonnentenzahl zum Beispiel vorstellen, ein größeres Studio zu beziehen oder Mitarbeiter fest anzustellen. Auch eine eigene offene Bühne zur Nachwuchsförderung sei denkbar, nach oben gebe es keine Grenzen.

In einem Post bei Patreon gaben die beiden Einblicke in ihre Finanzplanung mit Patreon: Neben den Einnahmen von über 14.000 Euro auf Patreon kommen noch um die 2.000 Euro durch YouTube und den Merchandise-Online-Shop zusammen, je nach Monat mehr oder weniger. Das muss natürlich versteuert werden. Von dem Geld werden Büro-/und Studiomiete, Grafiken etc., Videoschnitt, Sound Mix, Recherche, Gagen für Gäste und Technik bezahlt. Die Ausgaben können somit die Einnahmen übersteigen, so ist es auch von Oktober 2020 bis Januar 2021 geschehen. Sie schreiben, dass es ihnen ein wichtiges Anliegen ist, die Profis an ihrer Seite gut zu bezahlen. Wenn die Zahlen auf Patreon weiter steigen, wollen sie noch ein bis zwei Leute für Recherche und Technik einstellen.

Auf kleinerer Ebene haben die Berliner Comedians Jonas Imam, Falk Pyrczek und Ivan Thieme im letzten Jahr Patreon für sich entdeckt. Seit 2017 betreiben sie mit einer Folge wöchentlich den Podcast Verprügelt mit Punchlines. Seit April 2020 kann der Podcast in 5 Abos-Optionen unterstützt werden. Ab der zweiten Stufe von 5 Euro monatlich erhält man Zugang zu einer zusätzlichen Podcast-Folge pro Woche, ab 8 Euro gibt es Zugriff auf inzwischen archivierte Folgen. So sind inzwischen 113 Unterstützer*innen und ein monatlicher Betrag von 664 Euro zusammengekommen.

Jonas Imam sagte im Gespräch mit CoJokingSpace, der Podcast sei mit einem gewissen Aufwand verbunden, man habe sich einmal die Woche für 4 Stunden getroffen. Irgendwann gingen die Hörerzahlen hoch, man habe aber nur Ausgaben gehabt. „Wir haben ab einem gewissen Punkt mal geguckt, was machen denn erfolgreiche Podcasts eigentlich?“ Sie sind unter anderem auf Sponsoring gestoßen, aber ob das funktionieren würde, war nicht klar. Also haben sie Patreon genutzt: „Wir wollten etwas freiwilliges machen, wo Leute, die wollen, uns unterstützen können. Da wird man zu nichts gezwungen, man kann den Podcast ganz normal hören oder aber man kann auf Patreon gehen und etwas geben.“ Im Gegenzug produzieren sie eine zusätzliche Podcast-Folge wöchentlich. Der Patreon-Account sei gut angelaufen: „Wir haben sehr schnell relativ viele Patrons bekommen. Überraschend für uns, damit hätten wir gar nicht gerechnet. Aber den Leuten lag offensichtlich etwas daran, das zu unterstützen.“ Die Einnahmen auf Patreon sind nun Teil des Einkommens der drei Comedians geworden und haben sie auch dazu motiviert, das Projekt weiter auszubauen. Inzwischen produzieren sie auch Videofolgen und den Ableger Verprügelt mit Drachen, einen Rollenspielpodcast. „Es war eine Motivationshilfe natürlich, weil nur die Arbeit zu machen und nichts dafür zu kriegen ist auf Dauer auch ein bisschen schlauchend. Aber wenn man irgendwie sieht, A, zum einen gefällt das Leuten so sehr, dass sie Geld dafür ausgeben und B, können wir die Stunden, die wir dafür aufgeben im Monat, auch ein bisschen gegen einen Geldwert gegenrechnen, das hilft dann schon“, erzählt er.

Jonas Imam sieht auch einen Wandel der Industrie: „Ich glaube, wenn du heutzutage ein erfolgreicher Comedian sein willst, reicht es nicht, einfach nur auf Bühnen zu gehen und gelegentlich mal im Fernsehen aufzutauchen. Das Modell ist ein bisschen von gestern. Es hilft auch nicht mehr, bei einer großen Agentur zu sein und dann von Marketingbudget in alles reingeknallt zu werden.“ Stattdessen seien Formate im Internet wie Podcasts und YouTube-Formate wichtig, um Publikum zu gewinnen und zu binden. Wenn man selbstständig gute Inhalte mache, würden sich hoffentlich Leute finden, die das gut finden. „Und dann hast du ein Publikum und brauchst dich auch gar nicht mehr mit großen Mediensachen verbinden, die vielleicht ganz andere Sachen von dir erfordern, die du gar nicht machen möchtest“, schlussfolgert er. Man sei so unabhängig von Gatekeeper-Medien wie dem Fernsehen. Das sei sehr ausgeprägt auch schon in den USA zu sehen: „Da gibt es jetzt Comedians, die haben auf YouTube ein paar Millionen Klicks auf jeder Folge, die sie machen. Das ist ein erfolgreicher Podcast, die kriegen Sponsorengelder, von denen alleine sie schon leben können. Wenn sie eine Tour organisieren, dann sind die Räume ausverkauft.“

Und Finanzierungsformen wie Patreon können eben ein wichtiger Baustein im Aufbau von solchen autonomen künstlerischen Karrieren sein.

Was auf Patreon anbieten?
  • Podcast-Folgen
  • Videos
  • Texte
  • Musik
  • Zeichnungen
Warum Patreon?
  • Unabhängigkeit von Gatekeepern
  • Künstlerische Freiheit
  • Regelmäßige Einnahmen
    • -> Finanzielle Beständig- und Planbarkeit
  • Erschaffung einer Community
  • Fan-Bindung

28.04.2021

Text: Eike Lennart Sell

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